Esfahan
26 10 2011Ok, der Titel dieses Eintrags ist nicht so kreativ , aber dafür gebe ich mir Mühe, dass er gut wird! Heute ist mein letzter Abend in Esfahan, nachdem ich 3 volle Tage plus den Ankunftsabend hier verbracht habe. Um von allen Details zu erzählen, bräuchte ich wohl Stunden, daher versuche ich mich auf die Highlights und den Gesamteindruck zu beschränken. Erst mal zur Information: Ich bin am Sonntag mit einem Freund eines Freundes hergekommen, der Touri-Guide ist, was mir natürlich sehr zugute kam, weil er mir viel erklären konnte und mir geholfen hat, mich hier anfangs zurecht zu finden. Am nächsten Tag ist er dann nachmittags zurück nach Tehran gefahren und ich war mir selbst überlassen. Allein die Straße überqueren! Aber ich hab’s überlebt und fast macht es sogar ein bisschen Spaß, hehe…
Isfahan ist vor allem für zwei Sehenswürdigkeiten berühmt: Einen riesigen Platz, der über einen halben Kilometer (524m) lang ist und (hab ich nicht überprüft) der nach dem Platz des himmlischen Friedens (so heißt er?) in China der größte weltweit sein soll. Zum Platz gehören eine große Moschee, ein Palast, eine kleine Moschee, die früher eine Religionsschule war und der Eingang zum Bazar.
Die zweite Sehenswürdigkeit ist die Si-o-se-Pol, die Brücke der 33 Bögen. Hier sag ich mal direkt dazu, dass der Fluss seit ca. 6 Monaten staubtrocken ist. Kein Tropfen Wasser!! Schuld ist die Regierung, die das Wasser in irgendein Staubecken umgeleitet hat, was die Esfahanis sehr empört. Verständlich, denn der Fluss gibt der Stadt sicherlich eine noch schönere Atmosphäre als sie sowieso schon hat. Und so gern ich diesen Fluss gesehen hätte, so außergewöhnlich war es auch durch so ein breites Flussbett laufen zu können und Fotos von den Brücken zu machen, die man mit Wasser höchstes von einem Boot aus hätte machen können.
Um es kurz zu machen: Der Platz und seine dazu gehörenden Bauten sowie diese und die anderen Brücken waren sehr schön, aber für mich nicht das Schönste an der Stadt. Es gab drei Orte, die Esfahan für mich zu einem schönen und beeindruckenden Ort gemacht haben, wobei der dritte auch in jeder anderen Stadt hätte sein können, aber dazu gleich.
Zunächst der Gesamteindruck: Esfahan hat mich durch ihre zutiefst friedliche und entspannte Atmosphäre beeindruckt, die an zahlreichen Orten herrscht. Trotz ihrer Wüstenlage bietet die Stadt viiiiiel grün – ist nämlich eine Oase. Am Rand des (jetzt trockenen) Flusses zieht sich kilometerlang eine Art schmaler Park mit Wiesen, Bäumen, Blumen, Bänken, Wasserspielen usw. Die Leute sitzen einfach herum und reden, essen oder ruhen sich aus und es ist einfach entspannend dort lang zu gehen oder zu sitzen.
Einer der Orte, der mich am meisten beeindruckt hat, liegt im armenischen Viertel (das mir insgesamt sehr gut gefallen hat) und ist ausgerechnet ein christliches Kloster. Ich habe selten so eine friedvolle Atmosphäre erlebt – einfach wunderschön!
Von außen:
Von innen:
Und mit mir:
Wie man auch schon auf den Fotos an der Kuppel sieht, haben die Armenier das christliche mit dem orientalischen, speziell mit dem iranischen gemischt und so ist der Innenraum der Kirche (in der man mal wieder nicht fotografieren durfte) bis ca. 1m Höhe mit der typischen iranischen Fliesenarbeit geschmückt und darüber beginnen die typischen christlichen Malereien. Bevor ich diese Kloster besucht habe, war ich in einer anderen christlichen Kirche des Viertels, die Bethlehem Church, die von innen den gleichen Stil hatte (drei mal dürft ihr raten, ob man Fotos machen durfte). Besonders aufgefallen ist mir, dass die Malereien irgendwie extrem brutal waren. Viele stellten irgendwelche Folterszenen dar, für mich sah es aus, als wäre es Jesus, der da gefoltert wurde, aber ich kenne mich da nicht so aus… Von Haut aufschlitzen über kopfüber hängen bis Kopf zwischen zwei Brettern einquetschen war alles dabei. Nicht sehr schön und auch nicht sehr ästhetisch. Wenn jemand eine Erklärung hat, kann er sie gerne als Kommentar öffentlich machen..
Der nächste Ort, den ich wunderschön fand und der mich an einer Stelle völlig aus den Socken gehauen hat, war die Freitagsmoschee (Jameh Moschee):
Schön, aber noch nicht das schönste (leider war das Licht nicht so gut):
Von innen ist die Moschee ausschließlich mit Ziegeln gestaltet, was nach so viel schönen blauen Fliesen mal eine angenehme und in ihrer Schlichtheit sehr schöne Abwechslung war. Außerdem wird es nicht langweilig, denn jede Mini-Kuppel oder wie diese Gewölbe heißen, sind unterschiedlich gestaltet. Ca. 430 dieser Gewölbe gibt es und es lassen sich 400 unterschiedliche Muster ausmachen!! (wurde mir so gesagt, hab’s nicht gezählt )
Und dann kam es: Das Gewölbe öffnete sich plötzlich zu einem Raum mit einer riiiiesigen und extrem hohen Kuppel!! Mir sind fast die Tränen gekommen, so schön war es!
Die Beleuchtung, die man auf dem Foto sieht, ist mir vor Ort gar nicht so aufgefallen, aber sie ist vollkommen natürlich, es gab keine künstliche Beleuchtung.
Dieser Raum ist ca. tausend Jahre alt – total krass. Und einfach so riesig, dass auch meine Weitwinkelkamera nicht viel ausrichten konnte… Also: selbst herkommen – ankucken!!
Ebenso wie das Kloster strahlte auch diese Moschee eine unglaubliche Ruhe aus. Vielleicht sind es die Jahrhunderte alten Steine, die diese Ausstrahlung ausmachen.
Der dritte Ort, der mich tief beeindruckt hat war der Märtyrer-Friedhof, auf dem ich heute war. Märtyrer sind hier alle, die im Krieg gegen den Irak gefallen sind (1980-88). Die starke Märtyrer-Kultur ist mir schon in Tehran aufgefallen, wo überall riesige Fotos der Gefallenen hängen, um sie nicht zu vergessen. Auch Straßen und Metro-Stationen sind nach ihnen benannt. Bevor ich hergekommen bin war mir gar nicht so bewusst, dass viele, viele der um die 50-jährigen im Krieg gekämpft haben. Ich verbinde Leute, die im Krieg gekämpft haben, immer mit alten Opas, die im 2. Weltkrieg gekämpft haben. Aber hier sind es Leute im mittleren Alter und das wiederum zeigt, dass der Krieg noch gar nicht lange her ist. Meine Generation hat ihn mit erlebt! Und wie lang er war! Acht Jahre Krieg, das muss man sich mal bewusst machen…
Jedenfalls war ich heute auf einem der Märtyrer-Friedhöfe, die es bestimmt in vielen Städten gibt. Auch dort war die Atmosphäre sehr ruhig und friedlich, noch verstärkt durch das Mittagsgebet, das nebenan abgehalten wurde und das man deutlich hören konnte (sehr schön übrigens). Aber es war sehr, sehr traurig und bedrückend all diese zum Teil blutjungen Menschen zu sehen (zu sehen, weil jedes Grab ein großes Foto hat), die ihr Leben gegeben haben, um ihr Land zu verteidigen. Denn so war es wohl (ich muss das aber noch mal gründlich nachlesen): Saddam Hussein hat ja die Unordnung nach der Revolution genutzt und Iran angegriffen. Da bleibt einem wohl nicht viel anderes übrig als sich zu verteidigen… Ob dem ganzen ein Säbelrasseln vorausgegangen ist, ob Iran wirklich nur Opfer war oder wie das alles gekommen ist, muss ich aber noch mal in Erfahrung bringen. Wobei mir einfällt: wusstet ihr eigentlich, dass USA ja bekanntermaßen Irak in diesem Krieg unterstützt hat, aber verdeckt auch Waffen an den Iran geliefert hat? Ziel war die Schwächung beider Staaten – wie clever und wie hinterhältig.
Zurück zu den Gefallenen. Da Bilder mehr sagen als tausend Worte:
Im Übrigen gab es auch Gräber und somit Bilder von Frauen, allerdings hab ich nicht ganz verstanden, welche Funktion sie hatten, ob sie Ärztinnen waren oder so?
Interessant waren auch die Bilder der Gefallenen: manche zeigten die Männer in ihrer Soldatenuniform während des Krieges, andere zeigten private oder auch Passbild-ähnliche Fotos.
Besonders berührt hat mich aus irgendeinem Grund dieses Foto:
Ich weiß nicht, warum, ob er mich an jemanden erinnert, den ich kenne oder was, jedenfalls stand ich lange vor seine Grab und habe daran gedacht, dass er bestimmt seine Mutter und wahrscheinlich auch Geschwister zurück gelassen hat. Was für großes Leid Krieg doch bringt… Keine neue Erkenntnis, aber immer wieder gut, wenn man so tief fühlt, dass Krieg nie das Mittel der Wahl sein darf. Wobei ich fürchte, dass viele oder zumindest manche nicht die gleiche Schlussfolgerung ziehen wie ich, sondern nach Rache schreien. Traurige Welt.
Verstärkt wird die Unsinnigkeit des Krieges noch durch die Tatsache, dass sich durch den Krieg nichts an den Grenzen der Länder geändert hat. Alles ist geblieben wie es war und dafür sind auf beiden Seiten so viele Menschen gestorben….
So, das war der traurige Teil, der mich tief bewegt hat. Nach einem weiteren langen Fußmarsch bin ich dann in ein Restaurant gegangen, um Mittag zu essen und habe dort drei sehr nette Jungs kennengelernt, mit denen ich den Nachmittag verbracht hab. Keine Angst, ich vertraue nicht jedem Fremden blind, aber mein Bauchgefühl hat “ja” gesagt und so war es ein echt schöner Tag! Die drei waren total süß (und jung!! Um die 20, haha) und wir waren zusammen in der Moschee am großen Imam-Platz, in einem Park und anschließend in einem Teehaus.
(warum bin ich eigentlich so klein?)
Das, was ich da in der Hand halte, ist übrigens ein Granatapfel, den ich geschenkt bekommen hab, als ich Wasser gekauft hab, der aber nicht in meine Tasche passte und den ich deshalb die ganze Zeit in der Hand rumgetragen hab. Das war nachher voll der Running Gag, ich mit meinem Granatapfel!!
So, morgen geht’s auf nach Shiraz!! Ich bin gespannt…
Bella, wunderschön und sehr anregend deine Beiträge, schreib weiter, es liest sich einfach toll.
Muchas gracias, tía! Das motiviert mich sehr!!
Sooo, ich habe das mit dem Iran-Irak-Krieg mal nachgelesen und fasse in allerkürzester Kürze zusammen:
Natürlich gingen dem Krieg Probleme voraus, dann hat Irak Iran angegriffen, aber Iran hat die Chance, den Krieg relativ bald zu beenden, nicht genutzt, sondern hat ihn weiter eskalieren lassen. Somit ist keins der Länder bloß Opfer. Was nichts daran ändert, wie tragisch und schrecklich es ist, wie viele Menschen dabei gestorben sind.
salam bella tavallodet mobarak!
Hallo Bella,
ich lese gerade Deinen Blog über die Iran Reise. Bei Isfahan musste ich kurz anhalten und doch meinen Senf aus der Tube rollen, denn Isfahan ist meine Geburtsstadt. Ich habe die ersten 12 Jahre meines Lebens dort verbracht.
Ich konnte es nicht fassen, dass der Fluss „sayandeh rud“ ausgetrocknet war 🙁
Der Flussname heisst wörtlich übersetzt: „der gebärende Fluss“. Der Name kommt daher, weil dieser Fluss seit Jahrhunderten Isfahan jeden Tag ein neues Leben geschenkt hat.
Ja, der Friedhof ist für mich mit Schmerz verbunden, da ein sehr guter Freund von mir (war damals 17) im Krieg fiel und dort bestattet wurde. Der Grund übrigens für die Frauen auf diesem Friedhof ist wohl bemerkt nicht, dass sie im Krieg gefallen sind. Frauen waren wegen der strikten Geschlechtertrennung strikt verboten. Diese Frauen liegen dort, weil Saddam auch Isfahan bombardierte (ja, die Stadt). Auf diesem Friedhof liegen auch zivile Opfer.
Was die Schuld am Krieg angeht, bin ich wohl voreingenommen.
Wenn man z.B. weiß, dass Saddam chemische und biologische Waffen aus Europa bezog (u.a. aus Deutschland) und damit Städte angriff, wird einem ganz anders. Damals wurde hier in den Medien berichtet, Iran hätte Irak angegriffen. Heute weiß jedes Kind, dass Saddam ein Monster war.
Was das bildhafte Blutbad angeht, muss ich gestehen, dass ich „das Werk“ gar nicht kenne. Ich kenne Ähnliches aus der Literatur. Damit haben unsere Vorfahren zum Einen den Krieg gut gegen Böse in Bild festgehalten; zum anderen nutzte man solche Darstellungen als ein abschreckendes Bild für die Hölle.
Ich sende Dir ganz liebe Grüße aus Bayern und lese nun weiter in Deinem Blog.
khodahafez, Babak
Kheili mamnoon, azize-man!
Hallo Babak, herzlichen Dank für deine vielen netten, erklärenden und anregenden Kommentare sowie über die Glückwünsche! Ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut!
Vielen Dank für die Erleuchtung bzgl. der Frauen auf dem Märtyrer-Friedhof und für die Erklärung, dass auch zivile Opfer dort liegen. Ich bin immer froh, wenn ich etwas mehr Hintergrundinfos bekomme.
Unglaublich, dass damals in den Medien berichtet wurde, dass Iran den Krieg begonnen hat. Ich war noch zu klein, um mich an diese Sachen erinnern zu können.
Liebe Grüße